Nepal: Trekking zum Annapurna Base Camp (A.B.C.)
von HEIKE am 01. DEZEMBER 2011
Dienstag, 01. November 2011: Von Pokhara über Nayapul und Tighedhunga
Wie am Vortag besprochen, steht Arjun pünktlich um 08.00 Uhr mit zwei Portern vor unserem Hotel. Raj, der auch aus Kathmandu kommt, haben wir bereits gestern kennengelernt. Laxman ist neu im Team. Er sieht kaum älter aus als Nicolas, ist aber bereits 17 Jahre alt.
Wir fahren eine Stunde mit dem Auto nach Nayapul, einem kleinen quirligen Ort auf 1.070 Metern Höhe. Von hier aus starten die meisten Trekkingtouren zum Annapurna Base Camp (A.B.C.) und wir beginnen mit zahlreichen weiteren Wanderern unsere Tour, 297 sind es insgesamt an diesem Tag, es hat etwas von Volkswandertag. Nach rund vier Stunden haben wir unser erstes Ziel -Tighedhunga- erreicht.
Übernachtet wird auf dem ganzen Trail in sogenannten Tea-Houses, kleinen Guesthouses mit nur wenigen einfachen Zimmern und Gemeinschaftsdusche und Toilette. Auf eine warme Dusche müssen wir in Tighedhunga zum Glück trotzdem nicht verzichten, allerdings gibt nur eine Einzige für das ganze Guesthouse.
Dann spielen wir UNO mit den Kindern und bestellen das Abendessen. Die Menuekarte ist im ganzen Annapurnagebiet identisch, so dass wir sie bald auswendig kennen. Nur die Preise verändern sich, je höher wir kommen desto höher sind auch die Preise.
Der Abend ist ansonsten ganz entspannt. Wir unterhalten uns mit einem deutschen Pärchen und stellen einmal mehr fest, dass insbesondere Deutsche häufig über unsere Reise irritiert sind. Menschen aus anderen westlichen Ländern reagieren dagegen weniger befremdet und sie beschäftigt auch die Sicherheitsfrage deutlich weniger. So diskutieren wir an diesem Abend sehr angeregt über unterschiedliche Lebensmodelle. Ziemlich früh sind alle im Bett, denn es geht morgen zeitig los.
Mittwoch, 02. November 2011: Von Tighedhunga nach Ghorepani
Nach einem guten Frühstück starten wir gegen 08.00 Uhr. Der erste Abschnitt des heutigen Tages ist knackig! Es erwarten uns 3.200 Stufen hoch nach Uleri. Es ist ziemlich anstrengend und wir schwitzen ordentlich. Dazu kommt, dass zusammen mit uns viele andere Trekker unterwegs sind. Die Stimmung ist trotzdem gut.
Beeindruckend sind die Porter, die wir unterwegs immer wieder beobachten. Sie schleppen oftmals drei dicke Trekkingrucksäcke alleine und gehen dabei in Flipflops, es ist unglaublich. Auf unsere Nachfrage erläutert uns Arjun, dass ein Porter zwischen 20 und 40 Kilogramm tragen muss, manchmal auch mehr. Wir kommen uns mit unseren zwei Rucksäcken mit jeweils etwa zwölf Kilogramm verteilt auf zwei Porter als recht humane Arbeitgeber vor. Die Leichtfüßigkeit, mit der Raj und Laxman unterwegs sind, bestätigt unser Gefühl!
Unsere Porter haben neben der Trägerfunktion noch eine weitere Aufgabe. Spätestens ab der Mittagspause laufen sie voraus und reservieren uns ein Zimmer in den um diese Jahreszeit oftmals vollen Tea-Houses.
Der Trail, den wir laufen ist ein uralter Handelsweg durch das Himalaya, der bis heute die einzige Versorgungsroute für die zahlreichen Dörfer im Annapurna-Gebiet ist. Schwere Waren werden, wie seit Jahrhunderten, mit Eseln transportiert. So sehen wir kleine Eselkarawanen, die Baustoffe oder ganze Möbelstücke transportieren. Auch die Esel steigen die Treppenstufen nach Uleri hoch. Es ist verrückt, denn ich kämpfe schon mit meinem kleinen Daypack, der mir nach zwei Stunden auf die Schultern drückt.
Nach der Mittagspause beschließt Nicolas, dem es nicht schnell genug geht, mit Laxman und Raj vorzulaufen und Nina rennt direkt hinterher. Als wir an unserem heutigen Tagesziel, in Ghorepani, auf etwa 2.800 Metern Höhe ankommen, liegen die Kinder schon friedlich auf ihren Betten und lesen. Trotzdem bekommen sie eine Standpauke, denn einfach alleine vorlaufen geht nicht, schließlich sind wir im Hochgebirge.
Nach diesem Tag sind wir alle ziemlich kaputt, immerhin sind wir heute sieben Stunden gelaufen. Wir entdecken mal wieder eine German Bakery und Andi kauft vier riesige Apple Crumble, die unter einer dicken Vanillesauce verschwinden. Wir sitzen am warmen Ofen und mampfen zufrieden den herrlichen Kuchen - lecker!.
Während des gesamten Abends sitzen wir in der „warmen Stube“, lesen, spielen und unterhalten uns. Es ist richtig gemütlich.
Donnerstag, 03. November 2011: Von Ghorepani nach Tadapani
Eigentlich wollten wir heute morgen auf den Poon Hill hinauf laufen, um den Sonnenaufgang mit Blick auf den Dhaulagiri und das Annapurna-Massiv zu genießen. Arjun weckt uns um 05.00 Uhr, aber nur um uns mitzuteilen, dass der Himmel wolkenverhangen ist und wir weiter schlafen können, was wir bis 07.00 Uhr auch machen.
Nach dem Frühstück geht es aber dann sofort los. Die Sonne zeigt sich heute überhaupt nicht, aber ganz zu Beginn schaut für nur eine Minute der Gipfel des 8.167 Meter hohen Dhaulagiri heraus. Als wir Nicolas die Richtung zeigen, schaut er suchend in die Wolken, wo er den Gipfel vermutet, aber er findet ihn zunächst nicht. Wir lachen und zeigen ihm die Richtung nochmals etwas genauer. Nachdem er dann den Kopf in den Nacken gelegt hat und deutlich höher schaut, findet er ihn.
In diesem Augenblick wird uns Allen deutlich, was für ein gigantisches, überwältigendes Panorama sich hinter den Wolken verbirgt. Ab jetzt machen wir uns einen Spaß daraus und fragen Arjun, was wir ohne den Nebel sehen würden. Wenn er uns dann erklärt, dass wir gerade zwei Achttausender und zwei weitere Siebentausender nicht sehen, ist das schon ein bisschen frustrierend.
Trotzdem ist die Stimmung ganz gut. Wir wandern vor allem durch herrliche Rhododendren-Wälder, die um diese Zeit nicht blühen, mich aber aufgrund ihrer enormen Größe trotzdem sehr beeindrucken, vor allem wenn ich an die kleinen Büsche in unserem Garten denke.
Es sind immer noch viele Wanderer unterwegs, aber jetzt sind wir manchmal auch für einige Zeit alleine auf dem Weg, der durch dichte Laubwälder an kleinen Bächen und Wasserfällen führt. Dabei entdecken wir auch eine Gruppe von Lemuren, die mit ihren schwarz-weißen Gesichtern richtig witzig aussehen.
Die Nacht verbringen wir in einem sehr einfachen Tea-House. Immerhin gibt es hier noch eine heiße Dusche, die allerdings außerhalb des Gebäudes liegt. Wir müssen lange in der Kälte warten, da sehr viele Trekker aus dem Hotel duschen wollen. Geheizt wird die Dusche mit Gas, die Gasflasche steht vor der Türe und der Schlauch führt hinein, sieht ganz schön abenteuerlich aus!
Nachts wird es beißend kalt. Nur in einem großen Gemeinschaftsraum wird geheizt. Dazu wird ein Blecheimer mit glühenden Kohlen unter den Tisch gestellt. Rings um den Tisch herum sind Decken an der Tischkante befestigt, die bis zum zum Boden reichen und so die Wärme unter dem Tisch zusammenhalten. Wenn man sich an den Tisch setzt, zieht man die Decke über die Oberschenkel, so dass Füße und Beine schön warm sind. Am Oberkörper sitzen wir in voller Montur bekleidet beim Essen. Unsere nach dem Duschen nassen Handtücher trocknen wir auf unseren Knien.
Der Abend wird total witzig. Wir unterhalten uns mit zwei erfahrenen Trekkern aus Bayern und einer lustigen Truppe aus dem Saarland. Wir machen in Nepal die Erfahrung, dass besonders viele Deutsche in den Bergen unterwegs sind.
Freitag, 04. November 2011: Von Tadapani über Chomrong nach Jhinu Danda
Heute haben wir eine ordentliche Strecke vor uns und wir laufen pünktlich um 08.00 Uhr los. Für ganz kurze Zeit zeigt sich der Annapurna-Süd mit seinen 8.091 Metern Höhe, es ist gigantisch!
Wir können uns danach lebhaft vorstellen wie es hier bei gutem Wetter aussehen würde. Leider gibt auch heute fast ausschließlich Nebel zu sehen. Wir laufen zuerst zum Kyumu Khola hinunter, einem reißenden Bergfluss, den wir über eine wackelige Hängebrücke überqueren. Ich schaue lieber nicht in die Tiefe und bin froh, als ich sicher auf der anderen Seite bin. Dann geht es wieder zwei Stunden den Berg hinauf nach Chomrong. Dort machen wir Mittagspause.
Es wird immer nebliger und kühler. Wir wärmen uns bei Tee und Suppen auf. Trotzdem wird die Stimmung nicht besser. Wir fragen uns was wir hier eigentlich machen. Nichts von dem haben wir gesehen was wir uns erhofft haben. Kein Panorama, keine Sonne und nur Wolken.
Chomrong ist ein etwas größerer Ort mit einem kleinen Internet-Café. Ich beschließe mir den Wetterbericht mal anzusehen. Das Internet funktioniert sogar einigermaßen und ich bekomme die gewünschten Informationen. In den nächsten beiden Tagen wird das Wetter nicht besser, sondern schlechter, was Regen in tieferen Lagen und Schnee am A.B.C. bedeuten kann. Erst am Tag unseres Abstieges wird eine Wetterbesserung in Aussicht gestellt.
Das bedeutet, dass der ganze Aufstieg in den kommenden zwei Tagen bei Nebel und Regen und auf über 4.000 Metern voraussichtlich bei Schneefall erfolgen wird. Darauf sind wir weder vorbereitet noch ausgerüstet und Spaß macht es auch nicht.
Nach kurzer Diskussion entscheiden wir uns nicht weiter aufzusteigen, sondern sofort abzusteigen und morgen nach Pokhara zurückzukehren. Die Entscheidung fällt kopfgesteuert, denn es ist unvernünftig mit den Kindern und unserer Ausrüstung weiter aufzusteigen mit dem Risiko auf Schnee und Regen. Chomrong ist der letzte Ort wo wir noch ohne Probleme umkehren können, ohne den ganzen Weg zurückzulaufen.
Von Chomrong aus steigen wir noch zwei Stunden ab bis zum Örtchen Jhinu Danda und übernachten dort in einem netten kleinen Hotel. Am Abend sind wir dann doch ein wenig traurig, dass wir unsere Tour nicht zu Ende gemacht haben. Wir beschließen in den Herbstferien im nächsten Jahr nochmal hierher zu kommen.
Rückblickend ist unsere Entscheidung aber absolut richtig, denn Nepal war von einer sehr ungewöhnlichen Schlechtwetterperiode erfasst. Es gibt fast eine Woche keine Inlandsflüge und viele Urlauber hängen im Himalaya fest und können ihre Reise wetterbedingt nicht fortsetzen - wir sind also nicht die einzigen Betroffenen!
Wir gehen relativ früh ins Bett, aber kurz nachdem ich eingeschlafen bin, werde ich durch ein komisches Wackeln und Grummeln wieder hellwach und frage Andi erschrocken, was das gewesen ist. Es war ein kurzes Erdbeben!
Ich fange an zu zittern, denn wir befinden uns in einer tektonisch sehr unruhigen Gegend und warte gespannt wie ein Flitzebogen auf die eventuell folgenden Erdbewegungen. Aber es bleibt ruhig. Trotzdem kann ich erst nach ein paar Stunden einschlafen, ich finde das einfach zu aufregend!
Samstag, 05. November 2011: Von Jhinu Danda über Nayapul nach Pokhara
Wir stehen sehr zeitig auf, da wir heute ein langes Stück vor uns haben. Wir wandern immer am Modi Khola entlang. Es ist der bis jetzt schönste Teil der Tour.
Der Weg führt an kleinen Terrassenfeldern vorbei, auf denen hauptsächlich Gerste und Reis angebaut wird. Die Menschen dreschen hier mit der Hand und gemahlen wird in einer winzigen Mühle, die direkt über einen Bach gebaut wurde. Hier treffen wir nur wenige Wanderer, aber dafür durchqueren wir viele kleine Dörfer und die Menschen grüßen uns freundlich. Es ist eine wunderbare Atmosphäre.
Gegen 15.00 Uhr sind wir zurück in Nayapul und eineinhalb Stunden später zurück in Pokhara. Das Wetter ist weiter schlecht. Wir erfahren, dass es hier sehr viel geregnet hat. Total unüblich für Pokhara Anfang November.
Zum Abschluss unserer vorzeitig beendeten Tour laden wir Arjun, Laxman und Raj in die German Bakery ein. Außerdem schenken wir ihnen unsere Wanderstöcke, Handschuhe und Daunenwesten, die wir mit Sicherheit in der nächsten Zeit nicht mehr benötigen werden. Aus ihrer eher nüchternen Reaktion schließen wir, dass sie häufiger Outdoor-Klamotten am Ende einer Trekkingtour geschenkt bekommen.
Trotzdem wir unsere Tour abgebrochen haben, hatten wir im Ganzen fünf schöne Wandertage, die trotz der fehlenden Panoramen eine tolle Erfahrung waren. Die vielfältige Natur mit tropischen Tieren und Pflanzen, wie Lemuren und Bananenstauden, die tollen Eindrücke aus den kleine Bergdörfern, eine iPod-freie Zeit für die Kinder, die wir mit gemeinsamem UNO- und Skat-Spielen gefüllt haben und viele tolle gemeinsame Gespräche beim Laufen machen diese Zeit für uns wertvoll!
Am Tag nach unserer Rückkehr legen wir noch einen Ruhe- und Waschtag in Pokhara ein, essen noch einmal ein ordentliches Steak und richtige italienische Pizza, bevor wir in Richtung Indien aufbrechen. Auf Indien und die Zeit dort freuen wir uns jetzt immer mehr, wir haben schließlich vier Tage gewonnen!