Infrastruktur in Myanmar: Erlebnisse vom Bus- und Taxifahren
von ANDREAS am 05. AUGUST 2011
Die Infrastruktur in Myanmar ist die Schlechteste, die wir jemals in einem Land gesehen und erlebt haben, das ist sicher, und wir haben Einiges gesehen und erlebt!
Busfahren
Unsere erste Busfahrt von Yangon nach Mandalay, die Nicolas zu seinem Exkurs "Busholpern" in Myanmar veranlaßt hat, war, nach dem was wir danach erlebt haben, eine wirklich gute Fahrt. Die Straße zwischen Yangon und Nay Pyi Taw, der Hauptstadt Myanmars seit 2006, ist neu und der Bus mit Air Condition schwebte geradezu über die Betonstraße. Hinter Nay Pyi Taw wurde es dann zwar recht holperig, aber die 9 Stunden für die Strecke gingen recht schnell herum.
Stutzig wurde ich erstmals, als die Busfahrt von Mandalay nach Bagan, die auf der Landkarte etwa ein fünftel der Strecke von Yangon nach Mandalay lang ist, 7 Stunden dauern sollte, was ich mir gar nicht erklären konnte. Hätten wir gewußt, was auf uns zukommt, wären wir wahrscheinlich nicht in den Bus gestiegen! Nach 2 Stunden ging bei Gluthitze die Air Condition kaputt, die Busbesatzung machte einen hilflosen Eindruck und der Fahrer fuhr und telefonierte ab diesem Zeitpunkt gleichzeitig und zwar dauerhaft. Heike brachte die Jungs auf die Idee mit offenen Türen zu fahren und setzte sich mit Nicolas nach vorne während Nina und ich einen Platz ganz hinten am einzigen Fenster im Bus, das man öffnen konnte, ergatterten. Begeistert über den Luftzug im Bus versuchte die Buscrew die Dachluken zu öffnen, die so korrodiert waren, dass ein einfaches Öffnen nicht möglich war, sie haben die Dinger dann einfach herausgebrochen. Die Straße nach Bagan war phasenweise geteert, die meiste Zeit waren wir auf einer Gravel-Road unterwegs, die man mit einem Feldweg in Deutschland vergleichen kann. Stetiges Schwitzen gepaart mit ebenso stetiger Staubzufuhr führt dann nach 5 Stunden zu einer schönen Patina, die eine Dusche so richtig lohnt!
Benzin ist Mangelware
Angekommen in Bagan wurden wir mit den "Taxen" konfrontiert, die bereit waren, uns ins Hotel (= zur Dusche!) zu bringen: Pick-Up-Trucks, deren Ladefläche man liebevoll mit Matratzen ausgelegt hatte, was Anderes gab´s nicht! Die Dusche vor Augen bestiegen wir eine dieser "Taxen" wobei ich auf dem Beifahrersitz vorne Platz nahm. Dem Benzinkanister in meinem Fußraum schenkte ich zunächst keine Beachtung, bis wir nach einem knappen Kilometer anhielten. Der Fahrer griff nach dem Kanister, schraubte den Deckel mit darin steckendem Schlauch (den ich erst jetzt bemerkte) ab, steckte den Schlauch in den leeren Radioschacht im Armaturenbrett, damit das Benzin im Schlauch nicht in den Fußraum läuft und holte mit dem Kanister neuen Sprit für unsere Fahrt ins ca. 10km entfernte "New Bagan", wo sich unser Hotel befand. Benzin ist in Myanmar eine Mangelware und die Benzinversorgung eines der größten Probleme des Landes. Offensichtlich hat der Fahrer versucht nur die notwendigste Menge Benzin einzukaufen und diese Menge läßt sich leichter in einem Kanister im Beifahrerfußraum kontrollieren, als im 60l-Tank eines PKW. Dass das Taxi, genauso wie alle Taxen, die wir in 3 Wochen Myanmar genutzt haben, keinerlei Innenverkleidung mehr besaß und die Spaltmaße an Türen und auch Fenstern eher in Centimetern, denn in Millimetern gemessen werden konnten ist dabei als unwesentliches Detail anzusehen.
Wann fährt der Bus???
Spannend sind auch die Uhrzeiten, zu denen Busse teilweise starten. Der Bus von Bagan nach Kalaw fährt etwa 9 Stunden lang, was angesichts der Feldwege für die Strecke durchaus angemessen ist. Unerklärlich alleine ist, warum dieser Bus um 04.00 Uhr morgens startet, wobei man ca. 30min. vorher da sein muß, d.h. um ca. 02.30 Uhr aufstehen. Wir haben uns angesichts dieser Perspektive einen Minibus mit einer französischen Familie geteilt, was zu Abenteuern ganz neuer Art geführt hat, aber das ist eine andere Geschichte!
Neue Geschäftsmodelle & systematische Abzocke
Aus dem Beschriebenen wird deutlich, dass die Infrastruktur in Myanmar schlecht und Personentransport bisweilen eine Mangelware ist. Wo Mangel herrscht, ergeben sich jedoch völlig neue Geschäftsmöglichkeiten. Die positive Form dieser Möglichkeiten ist der geteilte Minibus, der dem Besitzer ein fair ausgehandeltes Fahrgeld einbringt, das dem Gesetz von Angebot & Nachfrage folgend hoch und äußerst lukrativ ist. Die negative Form dieser Möglichkeiten ist die systematisch geplante und betriebene Abzocke und hier haben wir heute etwas erlebt, das mich zu diesem Exkurs veranlasst hat:
Eine der größten logistischen Herausforderungen in Myanmar ist die Fahrt zu einer der landesweit bekanntesten und wichtigsten Pilgerstätten, zum Mount Kyaiktiyo mit dem "Golden Rock". Von Yangon aus fährt der Bus auf der Hauptstraße in den südöstlichen Teil Myanmars über Bago in ein kleines Städtchen namens Kyaiktiyo, wo man die vom Busverkehr häufig frequentierte Hauptstraße verläßt. In Kyaiktiyo muß man dann mit einem Pick-Up-Truck (nein, nicht mit Matratzen, mit Sitzbänken!) weiterfahren nach Kinpun, dem Ausgangsort für die Wanderung zum "Golden Rock", wo wir uns ein Hotel reserviert hatten.
Mehrfach und an unterschiedlichen Orten des Landes wurde uns bestätigt, dass "many, many" dieser Pick-Ups nach Kinpun fahren würden, zuletzt bestätigte uns dies der freundliche Busticketverkäufer in Bago, kurz bevor wir den Bus bestiegen. Da Touristen nur aus einem Grund - dem "Golden Rock" - in diese Richtung fahren, wußte ohnehin jeder, wohin wir wollten. Was wir nicht wußten ist, dass insbesondere in der Regenzeit, also jetzt, aufgrund der geringen Besucherzahlen der letzte Pick-Up um 17.00 Uhr fährt. Danach ist man in Kyaiktiyo quasi "gefangen", wenn man nicht mit dem Nachtbus zurück nach Yangon fahren möchte.
Wir bestiegen den Bus in Bago um 14.00 Uhr, geplante Fahrzeit ca. 2 bis maximal 2,5 Stunden, hätte also gepasst - wenn wir nicht 10min. vor Kyaiktiyo eine etwa 40min. Pause gemacht hätten. Derartige Pausen sind auf längeren Busfahrten nicht ungewöhnlich und vom letzten Pick-Up um 17.00 Uhr wußten wir auch nichts, so dass wir nicht beunruhigt waren. Gewundert haben wir uns über den Zeitpunkt und die Dauer unserer Pause, denn mir war schon klar, dass wir kurz vor unserem Ziel waren und nomalerweise dauern die Pausen höchstens 30min., danach geht´s üblicherweise weiter.
Nun passierte folgendes: der Bus hielt irgendwo am Ortseingang von Kyaiktiyo an, nicht an einer Haltestelle sondern einfach so, ein Typ kam in den Bus auf uns zugestürmt und erklärte uns, dass er von Bago aus über unser Kommen informiert worden sei und unseren Transfer nach Kipun organisiert hätte. Parallel sahen wir, wie unser Gepäck schon mal ausgeladen wurde und vier Gestalten mit unseren Rucksäcken losmarschierten. Er hätte für uns Motorrad-Taxis besorgt, die uns nach Kinpun bringen würden. Dabei nannte er einen Preis, der etwa 6 mal so hoch war, wie der uns bekannte Preis für den Pick-Up. Uns dämmerte ziemlich schnell, dass hier etwas nicht mit richtigen Dingen zugeht. Zuerst mal "fing" ich unser Gepäck wieder ein, dann ersuchte ich den Busfahrer um Hilfe und bat ihn, uns zur Pick-Up-Station zu bringen. Jetzt, mit einigen Stunden Abstand, muß ich über meine Naivität selber lächeln, denn der Busfahrer ist ja Teil des Spiels und das hätte ich zu diesem Zeitpunkt bereits erkennen müssen. Er fuhr dann bis zur Ortsmitte wo wir an einer Pick-Up-Station ausstiegen, allerdings nicht an der nach Kinpun, aber das konnten wir nicht erkennen.
Wir standen also auf der Straße, sahen uns 10 bis 20 Motorrad-Taxis gegenüber und dem Typen aus dem Bus, der uns wortreich erklärte, dass es heute keinen Pick-Up mehr geben würde und nur noch Motrorrad-Taxis verfügbar seien. Die Gesichter der Motorrad-Taxi-Fahrer glichen denen von Hyänen, die nur darauf warten, bis ihre Beute schwach genug ist, um sie erlegen zu können - Arroganz, Selbstsicherheit und Häme stand ihnen ins Gesicht geschrieben, es war wirklich eine Show, ich übertreibe nicht!
Später am Abend in Kinpun treffen wir Max, einen Jurastudenten aus Deutschland, dem gestern die gleiche Geschichte passiert ist: Bus macht unerklärliche Pause, hält dann irgendwo an, Motorrad-Taxi-Nr. - das gleiche Programm - er ist Motorrad-Taxi gefahren! Eine andere Geschichte aus der gleichen Kategorie hat uns ein 70jähriger Italiener, der mit seiner Frau schon viel in der Welt herumgereist ist, in Kalaw erzählt: bei ihm hielt in der vergangenen Woche der Bus im Zielort nicht an sondern fuhr durch den Ort mit der Begründung, er dürfe nicht halten. Erst einige Kilometer hinter der Stadt hielt er dann an und ließ die Beiden aussteigen und ganz zufällig wartete dort auch ein TukTuk, das die beiden dann zum Preis der gesamten Busreise zurück in die Stadt brachte, worüber er sehr verärgert war. Auf meine Nachfrage, ob er diese Reise gebucht oder eigenständig organisiert hätte antwortete er: " I am from venice, the city of Marco Polo, and he never traveled on a booked trip!"
Nun hatten wir also ein Problem und das bestand nicht im Fahrpreis sondern ganz einfach darin, dass wir Nina mit ihren 11 Jahren niemals auf ein Motorrad-Taxi gesetzt hätten und mit Gepäck schon zweimal nicht, absolutes no go, und ich wußte genau, dass uns hier kein Mensch helfen würde solange die Hyänen dass nicht kappiert hätten. Ich versuchte also dem Wortführer genau diesen Sachverhalt klarzumachen, was echt schwer war, weil ein Berufs-Motorrad-Taxifahrer nicht versteht, dass wir seine Lebensnomalität für unseren Fall als ungeeignet erachten.
Am Ende half uns ein beharrliches Durchhaltevermögen, so dass die Hyänen zunächst sichtlich genervt und später zunehmend das Interesse an uns verloren sowie der glückliche Umstand, dass genau vor unserer Nase alle Fahrgäste aus einem Pick-Up ausstiegen, so dass er frei war und ich das Auto für uns chartern konnte. Glück war auch, dass ich mit dem Fahrer verhandeln konnte, bevor die Mororrad-Gang etwas spitz bekommen hatte. Der Fahrer verlangte zunächst das Doppelte des normalen Fahrpreises, aber irgendwer muß ihm gesteckt haben, dass man aus uns mehr herausholen kann und plötzlich verlangte er den fünffachen Preis, den ich sofort zusagte, weil dieses Auto die letzte erkennbare Möglichkeit für uns war, nach Kinpun zu kommen. Als die Motorradfahrer bemerkten, dass der Pick-Up uns mitnehmen würde schrien sie ihn wütend an und es kam zu tumultartigen Zuständen. Es war aber zu spät, Heike, Nicolas und Nina hatten in Windeseile den Pick-Up beladen und schwups - weg waren wir!
Sauer wurde ich, als der Fahrer unterwegs nach Kinpun weitere zahlende Fahrgäste einlud und am Hotel angekommen dennoch den frechen Fahrpreis verlangte. Ich drückte ihm das Geld in die Hand, hielt diese fest und sagte im freundlichsten Tonfall der Welt mit einem Lächeln auf Deutsch: "Du bis ein ganz, ganz mieser Typ, nimm Deine scheiß Kohle und hau ab und ich wünsche Dir 3 Wochen lang Dünnschiß und nicht ein Blatt Klopapier!"
Letzteres dürfte den Burmesen wenig beeindruckt haben - für mich aber war es eine gewaltige Drohung !
Ende gut - Alles gut!
Getröstet haben wir uns abends beim Bier zum Einen mit der Tatsache, dass kein Cent unseres Geldes ans Militärregime gegangen ist sondern Menschen zukommt, die es wirklich brauchen, auch wenn wir mit der Methode nicht so gerne ein zweites Mal konfrontiert werden würden. Zum Anderen hat uns geholfen, dass die Situation sicherlich phasenweise einen extrem belästigenden Charakter für uns hatte, wir uns aber zu keinem Zeitpunkt in unserer Sicherheit bedroht gefühlt haben. Hier bleibt Myanmar sich treu, die Menschen sind, und das können wir auch nach diesem Erlebnis bestätigen, überaus freundlich und hilfsbereit und sie sind bitterarm!